Soliparty für die Kämpfe gegen Verdrängung und für ein selbstbestimmtes Zusammenleben der Hausgemeinschaften in der Friedelstraße 54 und der Schraderstraße 16 und überall.
17.10.2015 | 22:00 Uhr | ZGK (Scharnweberstraße 38)
Soliparty für die Kämpfe gegen Verdrängung und für ein selbstbestimmtes Zusammenleben der Hausgemeinschaften in der Friedelstraße 54 und der Schraderstraße 16 und überall.
17.10.2015 | 22:00 Uhr | ZGK (Scharnweberstraße 38)
Quelle: http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/
Kommt zur KIEZDEMO // FR, 9.10. // 17 Uhr
U6 KAISERIN-AUGUSTA-STRASSE
Ausgang Richtung Albrechtstr.// Berlin-Tempelhof
Andrea und ihr Sohn sollen „freiwillig“ ihre Wohnung verlassen. Wenn sie nicht ausziehen, werden sie zwangsgeräumt. Das wollen wir verhindern!
Am 9.10. wollen wir gemeinsam und lautstark mit Megaphon und Flyern die Nachbar*innen von Andrea und ihr Sohn über die anstehende Zwangsräumung informieren, damit sie nicht still und leise und am besten gar nicht stattfindet!
Zusammen haben wir schon Zwangsräumungen verhindert oder erreicht, dass Leute andere Wohnungen bekommen. Wir freuen uns über viele solidarische Mitstreiter*innen, denn gemeinsam können wir uns wehren gegen hohe Mieten, Verdrängung und Zwangsräumungen.
Da die Eigentümerinnen von Andreas Wohnung in Köln leben, gab es auch dort verschiedene Protestaktionen. Andrea wird unterstützt von Kalle, der selbst zwangsgeräumt wurde, und nun weiter gegen Verdrängung aktiv ist. Parallel zu unserer Kiezdemo wird es eine Aktion in Köln geben.
Kommt zur Kiezdemo nach Tempelhof!
Links und Hintergründe:
Anmerkung: Die Einladung zur Veranstaltung ist eine Initiative des Vorbereitungsteams im Kooordinierungskreis der Initiative Mietenvolksentscheid, weitere Informationen sind unter https://mietenvolksentscheidberlin.de/ zu finden. Ende Oktober wird es eine weitere Veranstaltung zur Bewegungsperspektive auf den Mietenvolksentscheid geben, diese wird vom Berliner Ratschlag organisiert.
Einladung zum Bewertungs- und Perspektivenworkshop
Datum: Freitag, 2. Oktober 2015, 17.00 Uhr
Ort: Ex-Rotaprint, Projektraum Gottschedstraße 4, nähe U Nauener Platz
Dauer: ca. 3,5 Stunden
Liebe Mitstreiterinnen und Mitstreiter, liebe Freundinnen und Freunde,
in den vergangenen Wochen gab es zahlreiche Pressemeldungen über eine „Einigung“ und einen „Kompromiss“ rund um den Mietenvolksentscheid, für den wir uns alle einsetzen. Es gab viele Diskussionen hinsichtlich des Für und Wider der Vorgehensweise, aber wohl nicht ausreichend Raum, um alles in Ruhe miteinander zu besprechen.
Deshalb möchten wir alle, die uns in den letzten Monaten aus nah und fern begleitet haben, zu einem solchen Gespräch einladen. Wir möchten mit euch den Gesetzentwurf des Senats, den politischen Prozess und mögliche Perspektiven diskutieren.
Im ersten Teil des Treffens werden wir uns in vier Kleingruppen aufteilen. Wir wollen die Bewertung des Senatsgesetzes weder nur den Expertinnen und Experten überlassen, noch den euphorischen Pressemeldungen.
Darum wollen wir das Gesetz des Mietenvolksentscheid im Vergleich mit dem Senatsgesetz aufgeteilt entlang der drei inhaltlich zusammenhängenden Themenbreiche:
Nachdem wir alles zusammengetragen haben, ist geplant das gemeinsame Gespräch über kurz- und mittelfristige Perspektiven zu beginnen.
Wir freuen uns auf euch!
Das Vorbereitungsteam im KoKreis der Initiative Mietenvolksentscheid
PS: Eingeladen sind alle Einzelpersonen und Initiativen, die den Mietenvolksentscheid in irgendeiner Form unterstützt haben. Wir bitten alle, die in ihrer Rolle als Vertreterinnen und Vertreter von Parteien oder der Presse am Treffen teilnehmen wollen, sich gerne mit uns an einem anderen Zeitpunkt in Verbindung zu setzen.
facebook-event: https://www.facebook.com/events/1603595786559964/
Folgender Beitrag wurde als „Eine wohlmeinende Polemik über den Versuch eine Debatte über den Mietenvolksentscheid zu beginnen“ zuerst auf trend-onlinezeitung veröffentlicht, er ist Reaktion auf den Beitrag „Der „Mietenvolksentscheid“ – Chance vertan!“ mit dem wir die erwähnte Debatte um den Mietenvolksentscheid auf wirbleibenalle.org angefangen haben.
von Karl-Heinz Schubert
Angesichts des Scheiterns des Mietenvolksentscheids (MVE) in Berlin will das Bündnis „Gemeinsam gegen Sozialabbau, Verdrängung und den Ausverkauf der Stadt“ ab sofort seine Internetpräsenz dafür nutzen, dass „bewegungsöffentliche Debatten über das, was jeden Tag an Protest, Aktionen und politischer Arbeit passiert“ in Gang kommen. Ein von einem wohnungspolitischen Duo namens „Paul&Paula“ verfasster „Diskussionsbeitrag“ mit dem Titel „Der ‚Mietenvolksentscheid‘ – Chance vertan!“ soll nun jene Debatte anschieben. Zeitgleich wurde ihr Beitrag bei linksunten.indymedia.org. veröffentlicht. Wir dokumentieren den Beitrag von Paul&Paula in dieser Ausgabe.
Als MVE-Aktivivist*innen, die sich von der Kampagne mehr versprochen haben, räumen Paul&Paula nach den Geheimverhandlungen zwischen MVEler*innen und Senat ernüchtert ein:
„Von der eingereichten Vorlage und den Vorstellungen aus der Anfangszeit ist nach den Verhandlungen nur noch ein Torso übrig geblieben.“
Dass das Verhandlungsergebnis, das demnächst als Gesetz das Berliner Abgeordnetenhaus passieren wird, stattdessen eine inhaltlich konsequente Umsetzung des Patchwork-Gesetzentwurfs der MVEler*innen ist, blicken Paul&Paula einfach nicht. Doch dazu weiter unten.
Ganz offensichtlich ist das Duo von der MVE-Kampagne tief enttäuscht – wie der Untertitel von der vertanen Chance belegt. Aus seinem Herzen will es nun keine Mördergrube mehr machen, indem es schlicht erzählt, wie es die Kampagne erlebt hat und was ihm daran nicht gefiel. Bevor Paul&Paula damit loslegen, verkünden sie jedoch erst einmal ein für sie essentielles politisches Credo:
„Volksentscheide sind per se dem bestehenden System verhaftet und können als solche die Bedingungen der kapitalistischen Verwertung von Wohnungen als Ware nicht verändern.“ (Unterstreichung von mir)
Dass Volksentscheide dem bestehenden System verhaftet sind, ist eine tautologische Binsenweisheit. Denn was wären sie sonst, wenn sie nicht Teil bürgerlich-kapitalistischer Klassenherrschaft wären? Von daher erscheint diese Mitteilung überflüssig. Allerdings braucht das Duo diese Phrase, um dem zweiten Teil des Satzes ein wenig Sinn einzuhauchen. Und das gelingt ihm leider nicht. Denn die Bedingungen der kapitalistischen Verwertung – also auch von Wohnungen – sind beständig in Veränderung. Oder glauben Paul&Paula etwa, dass der jetzige Gesetzentwurf bei den Sozialbauten nicht die Proportionen zwischen Mietpreisen und Renditen verschiebt? Fragt sich nur zu wessen Gunsten.
Was sich im Kapitalismus sehr wohl nicht verändert – auch nicht durch Gesetze , ist die Verwertung des Kapitals d.h. seine Selbstverwertung:
„In der Tat aber wird der Wert hier das Subjekt eines Prozesses, worin er unter dem beständigen Wechsel der Formen von Geld und Ware seine Größe selbst verändert, sich als Mehrwert von sich selbst als ursprünglichem Wert abstößt, sich selbst verwertet. Denn die Bewegung, worin er Mehrwert zusetzt, ist seine eigne Bewegung, seine Verwertung also Selbstverwertung …. Als das übergreifende Subjekt eines solchen Prozesses, worin er Geldform und Warenform bald annimmt, bald abstreift, sich aber in diesem Wechsel erhält und ausreckt, bedarf der Wert vor allem einer selbständigen Form, wodurch seine Identität mit sich selbst konstatiert wird. Und diese Form besitzt er nur im Gelde. Dies bildet daher Ausgangspunkt und Schlußpunkt jedes Verwertungsprozesses …. Der Wert wird also prozessierender Wert, prozessierendes Geld und als solches Kapital. Er kommt aus der Zirkulation her, geht wieder in sie ein, erhält und vervielfältigt sich in ihr, kehrt vergrößert aus ihr zurück und beginnt denselben Kreislauf stets wieder von neuem.“ (MEW 23, S.169f)
Schlussendlich gilt dies selbstverständlich auch für die Verwertung der Immobilie als Leihkapital in Warenform.
Hätten Paul&Paula nämlich mit ihrem Märchen von den unveränderbaren Bedingungen der Verwertung recht, dann wären soziale Kämpfe, die auf Verrechtlichung bestimmter durchgesetzter Beschneidungen der Profitmasse bzw. der Rendite abzielen, völlig sinnlos. Tatsächlich aber musste das Proletariat in seiner Geschichte fortwährend Kämpfe um seine Lohn-, Arbeits- und Lebensbedingungen führen. Verrechtlichungen, wie sie z.B. durch den monatelangen Massenstreik der BRD-Metallarbeiter*innen 1956 in Schleswig-Holstein erkämpft wurden, der zum Recht auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall führte, verändern ganz praktisch die Bedingungen des sich verwertenden Kapitals. Das Gleiche gilt für das Recht im Reproduktionsbereich, wenn z.B. in Zeiten der Wohnungsnot von der kämpfenden proletarischen Klasse Formen von kommunalem Wohnungsbau wie im „Roten Wien“ durchgesetzt werden. Solche Verbesserungen, selten genug in der Geschichte der Klassenkämpfe auf Dauer durchgesetzt, verändern natürlich den Anteil am Profit bzw. an der Rendite.
Dass die Kapitalist*innenklasse solche für sie negativen Verrechtlichungen rückgängig machen wollte und will, was ihr immer dann gelingt, wenn das Proletariat als Klasse schwach aufgestellt ist, liegt auf der Hand. Was solche ökonomischen Kämpfe nicht bewirken, ist die Aufhebung des Kapitalismus, doch das ist auch nicht ihr Gegenstand.
Ärgerlich wird die Sache allerdings, wenn das Duo, dass zu solchen Differenzierungen nicht fähig oder nicht willens ist, meint, die DKP oder mich als Dummbeutel abwatschen zu müssen, weil wir angeblich bei der MVE-Kampagne die Forderung nach Aufhebung der Wohnung als Ware vermissen:
„Insofern ist die von der orthodoxen Linken der DKP oder von Karl-Heinz Schubert in trend-online geäußerte Kritik an dem Gesetzentwurf des Vereins, die gerade dieses in letzter Konsequenz von einem solchen Entscheid fordern, wahlweise dämlich oder grober Unfug.“
Ein Link auf den ersten Teil meiner dreiteiligen Kritik sollte dieser Fehldeutung mal eben die Würde der Richtigkeit verleihen. Auch das ist ein Eigentor. Im ersten Teil befasse ich mich überhaupt nicht mit der Frage, ob die MVE-Kampagne eine gesellschaftstransformative Stoßrichtung hat. Dies tue ich am Ende des zweiten Teils und in meinen Vorträgen.
Hier das diesbezügliche Substrat aus meinem Vortrag:
„Dass der MVE mit diesem Gesetzentwurf (GE) „überflüssig“ ist, ist nicht Gegenstand des Vortrags. Vielmehr soll aufgezeigt, dass es sich hier um ein „falsches Herangehen“ an die Wohnungsfrage handelt, da die Immobile nicht als Leihkapital in Warenform verstanden und behandelt wird. Das würde nämlich heißen, bereits unter kapitalistischen Bedingungen zu versuchen, die Profitmacherei mit Immobilien bei ihrer Produktion und Verteilung durch außerökonomische Maßnahmen (Gesetze, Verordnungen, Kontrollstrukturen) zu limitieren.
Eine sozialemanzipatorische Alternative zur Eindämmung der Wohnungsnot im Kapitalismus, die eine gesetzliche Regulierung anstrebt, sollte sich aus der verfassungsrechtlich fixierten Sozialbindung des Eigentums ableiten. Damit stellt sie das verfassungsrechtliche Individualrecht auf Wohnraum über das Mietvertragsrecht des BGB.
Dadurch wird Wohnen als unwiderrufliches Nutzungrecht gesetzt, welches der Forderung „Die Häuser, denen die drin wohnen“ eine antikapitalistische Perspektive gibt und einem entsprechenden Volksbegehren die sozialpolitischen Leitplanken liefert.
Bleibt nur noch anzumerken, dass es angesichts Paul&Paulas limitierter Denke nicht verwunderlich ist, dass ich von ihnen mit der DKP in einen Topf geschmissen werde, nur weil wir im Resultat unserer Untersuchungen DIESEN Volksentscheid wegen seines Gesetzentwurfs ablehnen. Das DKP-Konzept der antimonopolistischen Demokratie, das auf bis heute fortgeschriebenen Fehlinterpretationen von Klassenstrukturen der 1970er Jahre beruht und damit ein staatsfetischistisches Sozialismuskonzept als transformatives Ziel begründet, ist wahrlich nicht „meine Welt“.
Um dem politischen Frust ein Ventil zu geben, führt die von Paul&Paula gewählte narrative Aufarbeitungsmethode unvermeidbar zu willkürlichen „Ex-ärmelo-Deutungen“:
„Es bewahrheitet sich damit eine alte Weisheit: Initiativen, die sich auf die Verhandlung von Gesetzen einlassen, können nur verlieren. Insbesondere dann, wenn sie angesichts einer verlockenden Anerkennung durch die Regierenden nichts dafür tun, dass der Druck auf der Straße verstärkt oder auch nur aufrechterhalten wird.“
Indem sich Paul&Paula kollektives politisches Handeln wahrscheinlich nur als temporäre Addition individueller Interessen vorstellen können, können sie die Übereinstimmung in der Sache zwischen dem führenden Personal der MVE-Kampagne (Linkspartei und Grüne) und dem Berliner Senat auch nicht auf die Sache (neoliberales Krisenlösungsangebot) selbst zurückführen, sondern nur auf mangelnde charakterliche Eignung des Kampagnenpersonals.
Zu allem Überfluss endet ihre Darbietung auch noch mit einer unterstellten Karrieregeilheit:
„Der Entscheid ist politisch gescheitert. Das Märchen wird nicht gut ausgehen. Aber vielleicht reicht es für den persönlichen Karriereschub von einzelnen Vertreter*innen.“
Die Reduktion der Gründe des Scheiterns der Kampagne auf miese Charaktereigenschaften wird von Paul&Paula mit dem inhaltsleeren Bild von einer Kampagnendemokratie „von unten“ komplettiert, die jenes charakterlose MVE-Personal zielstrebig torpedierte:
Die ersten Gespräche mit dem Staatssekretär der SPD und Mitarbeiter*innen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung fanden noch öffentlich statt, die weiteren wurden mit einzelnen Vertreter*innen des „KO-Kreises“ hinter verschlossenen Türen geführt. Was dann folgte, war eine Verletzung von basisdemokratischen Spielregeln sondergleichen.„
Diese denunziatorischen Mutmaßungen sind zwar kompatibel zum Alltagsbewußtsein, wo es bekanntlich heißt „es gibt immer solche und solche“ und „man muss mit allem rechnen“, politisch stellen sie aber eine Bankrotterklärung dar. Sie zeigen, dass das Duo völlig desinteressiert an den Inhalten der Kampagne war und ist, wie sie sich im MVE-Gesetzentwurf (GE) darstellten. Weder ein Argument zu den „Kröten“ des GE, die Linke nur ablehnen konnten, noch eine Sachkritik am GE als ein Beitrag zur „Reform“ neoliberalistische Verwertungsstrukturen fallen Paul&Paula ein. Darüber täuscht auch nicht ihre substanzlose Aufzählung unerfüllter Teilforderungen hinweg, die im GE nicht enthalten sind.
Vielleicht wurde Paul&Paulas Desinteresse an einer inhaltlich Klärung ja auch dadurch befördert, dass die geplante Debattenplattform eine sein soll, die sich vornehmlich mit Bewegungfragen befasst. Dann dürfte es auf dieser Plattform wohl langweilig werden. Siehe dazu den ersten Debatten-Kommentar bei linksunten.indymedia, wo es darum geht, im Anschluss an Paul&Paula die IL-Genoss*innen wegen ihres hinterhältigen Charakters zu dissen, statt die Auseinandersetzung mit ihren wohnungspolitischen Zielen zu führen:
„Eine breite Kampagne wäre sicher möglich gewesen, wenn der Endscheid von Beginn an transparent, öffentlich und basisdemokratisch entwickelt worden wäre. Doch das war von den karrierebewussten Bewegungsmanager*innen von IL und Co und den zuständigen „Expert*innen“ nie gewollt.“
Nun ist es aber gemeinhin so, dass vor der Form der Inhalt gesetzt ist, der der Form Spezifik und Konturen verleiht, welche im politischen Prozess dialektisch auf den Inhalt zurückwirken. Wo allerdings ein Inhalt nur solange als ein Inhalt gilt, wie er mit dem individuellen Interesse übereinstimmt – so zumindest bei der sozialen Figur der bürgerlichen Monade – kommt die kollektive Erarbeitung des politischen Inhalts einer Kampagne auf zuvor beschlossenen, gemeinsamen politischen Grundlagen als zentrale Aufgabe gar nicht in den Sinn.
Meines Erachtens wird das sachnahe Verständnis des dialektischen Zusammenhangs von Form und Inhalt die Schlüsselrolle bei der Aufarbeitung der MVE-Kampagne bilden, und zwar gerade dann, wenn es um die Rekonstruktion einer außerparlamentarischen und sozialemanzipatorischen Bewegung gegen Wohnungsnot und Mietpreistreiberei geht. Oder anders ausgedrückt: Von transformativen Zielen geprägte soziale Kämpfe kommen an dem richtigen Handling des dialektischen Dreischritts von Kämpfen-Untersuchen-Organisieren nicht vorbei.
Abgesehen von dem überlebten maoistischen Volksbegriff und einem 1920er-Jahre-Parteikonzept liefert in dieser Ausgabe die Bethanienbroschüre ein anschauliches Lehrbeispiel dafür, wie die drei Elemente Kämpfen-Untersuchen-Organisieren miteinander verbunden und angewandt wurden. Ausgangspunkt der Kampagne „Für ein Kinderpoliklinik ins Bethanien“ bildete eine Untersuchung über die mangelhafte Krankenversorgung. Dies war keine akademische Schreibtischarbeit, sondern stützte sich vor allem auf die Erfahrungen aus vorherigen Stadtteilkämpfen. Ihre Auswertung war das kollektive Produkt der Aktivist*innen dieser Kämpfe. Damit wurde von ihnen die Voraussetzung geschaffen, die zentralen Forderungen programmatisch-inhaltlich abzusichern und den Kampf dafür aufzunehmen.
Auf den ersten Blick erscheint die Bethanienkampagne als reine Einpunkt-Sammelbewegung wie die MVE-Kampagne auch. Doch der qualitative Unterschied zeigt sich allein schon am sozialistischen Grundkonsens der aus verschiedenen Organisationen und Gruppen stammenden Bethanien-Aktivist*innen. Weder diesen noch einen anderen politisch-transformativen Grundkonsens gab es bei der MVE-Kampagne und bei den davor gelaufenen Volksbegehren (Tempelhofer Feld, Wasserverträge usw.).
Um überhaupt (wieder) auf dem Feld der Wohnungspolitik politisch kohärent intervenieren zu können und dabei eine Bündnisfähigkeit zu entwickeln, ohne in die neoliberalistische Mitmachfalle zu tappen, werden die Stadtteilaktivist*innen heute nicht umhinkommen, in einem kollektiven Diskurs einen systemtransformativen Konsens ihrer Wohnungspolitik programmatisch zu formulieren. Sollte jedoch im Aufarbeitungsdiskurs wohlfeile Meinungsmache à la Paul&Paula weiterhin den Mainstream anstelle von Analysearbeit bilden, dann sehe ich schwarz für eine antikapitalistische Wohnungspolitik, die ihre ökonomischen Leitplanken aus dem Klasseninteresse des Proletariats ableitet: Expropriation der Expropriateure.
Und – diese Analysekompetenz wird es ohne theoretische Mühen (Untersuchung, Schulung, Bildung, Arbeit am Begriff) nicht geben!
An Stelle eines Nachworts:
Die Städte und Gemeinden suchen händeringend nach Unterkünften für Flüchtlinge. Und weil ungewöhnliche Zeiten ungewöhnliche Maßnahmen erfordern, hatten findige Beamte in Berlin eine Idee: Das Gesetz besagt, dass der Staat Gebäude beschlagnahmen kann, wenn Sicherheit und Ordnung gefährdet sind..… Beschlagnahmt wurde ein zehnstöckiges früheres Bankgebäude im Stadtteil Wilmersdorf, formal war es Teil der Konkursmasse der Hypo Real Estate. In Kürze soll es die erste Anlaufstelle für Flüchtlinge in der Stadt sein, die Erstaufnahmestelle.“ (Deutschlandfunk vom 10.9.2015)
„Die Registrierung der Flüchtlinge erfolgt in einer neuen, sogenannten „Bearbeitungsstraße“ in der Moabiter Kruppstraße. Dort erhalten die Angekommenen Papiere und Krankenscheine. Wie schon zuvor, wollen sich einige gar nicht in Berlin registrieren lassen, weil sie zu Verwandten beispielsweise in Hamburg oder Schweden weiterreisen wollen. Die meisten werden aber voraussichtlich hierbleiben. Um sie unterzubringen, wollen die Grünen in der BVV Friedrichshain-Kreuzberg das Bezirksamt auffordern zu prüfen, ob auch leerstehende Privatwohnungen beschlagnahmt werden können, um sie als Flüchtlingsunterkunft zu nutzen. Konkret haben die Grünen das Areal Riehmers Hofgarten im Auge. Dort stünden viele Wohnungen seit Jahren aus Spekulationsgründen leer, sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende in der BVV, Paula Riester, am Sonntag. „Wir brauchen mehr Wohnraum für Flüchtlinge“, sagte Riester. „Und es ist besser, sie in Wohnungen als in Turnhallen unterzubringen.“ Rechtlich sieht sie kein Problem. Das Land sei gesetzlich verpflichtet, Obdachlosigkeit zu verhindern. Ob der Zustand der Wohnungen in Riehmers Hofgarten eine Belegung mit Flüchtlingen zulässt, müsse das Bezirksamt allerdings erst prüfen. Die Beschlagnahme von Privatwohnungen hatte vergangene Woche auch die Linken-Politikerin Heidi Knake-Werner in der Berliner Zeitung gefordert.“ (Berliner Zeitung vom 21.9.2015)
Zur Debatte:
Dieser Artikel ist eine Kopie eines Beitrags vom 21.08.2015 der Stadt-AG der Interventionistischen Linken im Original ist er unter http://www.interventionistische-linke.org/ zu finden.
Die Ereignisse überschlagen sich: Im Mai hieß es, die Forderungen des Berliner Mietenvolksentscheid würden nicht verhandelt. Den ganzen Sommer über galten Sondierungen zwischen Senat, SPD und Mietenvolksentscheid-Initiative als unverbindliche „Gespräche“, doch am 19. August wurde dann ein „Kompromiss“ verkündet. Die SPD legte ein eigenes Mietengesetz vor, dass den Volksentscheid ersetzen soll, und sogar die CDU twittert Zustimmung. Am liebsten hätte der Senat, dass der Volksentscheid nun abgesagt wird. Die beteiligten Gruppen und Einzelpersonen müssen jetzt entscheiden, wie es weitergeht. Während Forderungen nach Sozialwohngeld und öffentlichem Wohnungsbau übernommen wurden, gibt es im SPD-Entwurf weder Demokratisierung noch reale Mitbestimmung für Mieterinnen und Mieter. Der Staat, so das Signal, behält die volle Kontrolle über die Immobiliengeschäfte des Landes.
Die Interventionistische Linke Berlin ist von Anfang an am Mietenvolksentscheid beteiligt und hat sich dort, nicht immer erfolgreich, für eine Kontrolle der Wohnungsunternehmen vor allem durch Mieterinnen und Mieter und die Angestellten der Unternehmen eingesetzt.
Durch Äußerungen von Senatspolitikern wurden am 19. August Grundlinien des offiziell noch vertraulichen Mietengesetzes öffentlich, am selben Tag gab es öffentliche Pressekonferenzen dazu. Das Gesetz übernimmt die Forderung der Initiative Mietenvolksentscheid nach Einführung eines Sozialwohngeld für den alten sozialen Wohnungsbau, wo durch alte Knebelverträge jährliche Mieterhöhungen möglich sind – denn die geförderten Wohnungen sind Privatbesitz, obwohl sie mit öffentlichen Geldern errichtet wurden. „Mit dieser öffentlichen Subvention werden die Nettokaltmieten in Sozial- und Kommunalwohnungen auf 30 Prozent des Nettoeinkommens der Mieter begrenzt. Diese Subjektförderung kommt auch Mietern von Wohnungen zugute, deren Anschlussförderung gestrichen worden ist“ berichtet der Tagesspiegel. Dies käme Initiativen wie „Kotti und Co“ entgegen, die sich gegen die Vertreibung von Mieterinnen und Mietern aus Sozialwohnungen des alten sozialen Wohnungsbau einsetzen. Wie hoch das neue Wohngeld ist, wie viele Menschen profitieren, wie bürokratisch und gegebenenfalls ausschließend das Antragsverfahren ist, bleibt im Moment noch unklar.
Zukunftsweisender als die Mietzuschüsse, die Fehler des alten sozialen Wohnungsbaus und seiner korruptionsanfälligen Staatszahlungen für private Bauherren abmildern, ist die Forderung nach einem neuen landeseigenen Wohnungsbau. Die Initiative forderte dazu die Umwandlung aller sechs landeseigenen Wohnungsgesellschaften in Anstalten öffentlichen Rechts – eine Rechtsform ohne Gewinnzwang und mit Gemeinwohlorientierung. Diesen Anstalten sollten nicht nur alle Mieteinnahmen ihrer Bestände, sondern auch eine ganze Reihe von Bundesfördermitteln aus dem Landeshaushalt zum Bau und Ankauf neuer Wohnungen zur Verfügung gestellt werden. Die Mittel wären per Gesetz permanent gebunden – eine Zweckentfremdung für Haushaltslöcher sollte verhindert werden. Im Entwurf versprochen ist nun genau die Einrichtung eines solchen Fonds zum Wohnungsbau. Dies bedeutet einen Kurswechsel in der Wohnungspolitik: statt Privatisierungen kauft und baut Berlin Wohnungen, die dauerhaft in öffentlichem Besitz bleiben. Die Nettokaltmieten in diesen landeseigenen Wohnungen sollen für Geringverdienende auf Antrag auf 30% des Haushaltseinkommens begrenzt werden; insgesamt sollen die Mietsteigerungen sich in Grenzen halten. Im kommunalen Wohnungsbau werden Zwangsräumungen nicht verboten, aber erschwert, im drohenden Räumungsfall muss eine Ersatzwohnung angeboten werden. Für Wohnungssuchende soll ein fehlender Bonitätsnachweis (Schufa-Auskunft) nicht mehr der „einzige“ Grund für eine Ablehnung sein – ob das im Einzelfall die tatsächliche Ablehnung verhindert, scheint jedoch fraglich. Inwieweit diese und andere Ankündigungen halten, was sie versprechen, muss überprüft werden, wenn der Gesetzesentwurf im Wortlaut veröffentlicht ist.
Nicht umgesetzt wird im Entwurf der SPD die Forderung nach einer öffentlich-rechtlichen Form der Wohnungsgesellschaften – sie bleiben GmbH´s und Aktiengesellschaften, lediglich eine Dachorganisation soll als „Anstalt öffentlichen Rechts“ eingerichtet werden.
Ein weitergehendes Problem ist die Beteiligung der Mieterinnen und Mieter – es gibt zwar neue „Mieterräte“, aber diese haben nur das Recht auf Information und Stellungnahme. Kein Vetorecht, keine Mitbestimmung. Zwar dürfen die neuen Räte laut Tagesspiegel „jeweils zwei Vertreter (einer als Gast) in die Kontrollgremien der Unternehmen schicken“ – aber damit haben die Mieterinnen und Mieter nur eine einzige Stimme in den Aufsichtsräten der öffentlichen Wohnungsbauunternehmen. Selbst wenn diese Person zusammen mit dem „Gast“ konsequent die Interessen der Bewohnerinnen und Bewohner vertritt, hat sie in ihrer Minderheitenrolle keine Chance, die Geschäfte der Unternehmen real zu beeinflussen. Die Mitgestaltung beschränkt sich faktisch auf ein Informationsrecht – das schafft unter günstigen Umständen Transparenz gegen Skandale, aber auch dies nur wenn Vertretung und „Gast“ sich nicht vereinnahmen lassen. Eine ernstzunehmende Mitbestimmung oder gar Demokratisierung ist dies nicht, eher im Gegenteil: die abhängige Rolle der Mieterinnen und Mieter wird festgeschrieben.
Die Essenz des SPD Entwurfes besteht also aus der Kombination von sozialen Zugeständnissen, aber einer Absage an jede Demokratisierung. Der Mietenvolksentscheid hat – zumindest im Entwurf – erreicht, was vor einem Jahr unmöglich schien: eine Notbremse gegen Vertreibung im alten sozialen Wohnungsbau und den Neuaufbau eines neuen, öffentlichen und sozialen Wohnungsbestandes. Vorausgesetzt, der Entwurf hält was er verspricht, wird ein solches Programm das Gesicht Berlins verändern.
Doch der Preis für diesen Kurswechsel ist hoch: die Hoffnung, die mit dem Mietenvolksentscheid in eine neue Stufe gestartete soziale Bewegung der Mieterinnen und Mieter könne dauerhaften Einfluss auf die Wohnungspolitik der Stadt nehmen, wird mit dem SPD-Entwurf aufgegeben. Er ist eine Verstaatlichung und eben keine Vergesellschaftung: alle Unternehmen bleiben in Kontrolle der Senatsbürokratie, Mieterinnen haben sozialen Schutz und Informationsrecht, aber keinen Einfluss auf die Geschäfte. Es fehlt damit die Möglichkeit, den berühmten Berliner Baufilz durch reale Kontrolle von unten im Zaum zu halten.
Diese Kombination aus sozialem Zugeständnis bei voller staatlicher Kontrolle, ohne Eingriffe in den Privaten Immobilienmarkt liegt in der Logik eines Staates, der das Privateigentum sichert und den Einfluss sozialer Bewegungen auf Eigentumsverhältnise um jeden Preis beschränken will. In Form von Staatseigentum, im SPD-Entwurf sogar in privater Rechtsform, sind öffentliche Wohnungsbestände als Korrektiv in einem versagenden Markt machbar. Mit-Bestimmung, geschweige denn ein Infragestellen des Eigentumsprivilegs soll auf jeden Fall verhindert werden. Dies sichert gleichzeitig das Monopol von Parteien und Senatsbürokratie über das politische Feld.
Erste Priorität muss sein, dass der SPD-Entwurf nicht vorschnell hingenommen, sondern mit allen Aktiven breiter diskutiert wird. Dies zeichnet sich gerade ab; bisher gibt es keine ausdrückliche Erklärung zur Annahme durch das Bündnis. Vielmehr soll ausgiebig auch zusammen mit anderen Initiativen geprüft werden, wie weit der Entwurf wirklich geht und welche Hintertüren er offen hält. Dennoch setzt die Presse Fakten, indem der Entwurf bereits jetzt als „Kompromiss“ dargestellt wird. Diese Darstellung kommt nicht von ungefähr, denn statt der angekündigten tiefergehenden „Gespräche“ wurde in den letzten Tagen mit der SPD über Inhalte verhandelt, was zur stillen Aufgabe von Forderungen führte. Eine Gefahr, vor der wir in unserer letzten Erklärung warnten.
Einerseits setzte unser Mietenbündnis die SPD mit dem Volksentscheid massiv unter Druck, da sie Angst vor einem Mietenvolksentscheid während des Wahlkampfes 2016 hatte – Andererseits setzte die SPD alles daran, auch auf das Bündnis Druck aufzubauen. Den Hebel dafür lieferte eine Kombination aus Gesetzen und Rechtssprechung. Diese machten die Regelungen zu Anstalten öffentlichen Rechts im ursprünglichen Gesetz der Initiative gerichtlich angreifbar. Eine nachdrückliche Korrektur wurde gleichzeitig verboten. Die angreifbare Regelung in Kombination mit dem Korrekturverbot machten die Drohung, den Volksentscheid vor dem Landesverfassungsgericht scheitern zu lassen, plötzlich plausibel.
Es ist in dieser Situation unbedingt notwendig, den Volksentscheid aufrechtzuerhalten als Druckmittel – sobald er abgesagt wird, gibt es keine Garantie mehr, dass überhaupt irgendetwas umgesetzt wird. Mit diesem Druckmittel in der Hinterhand muss die Debatte um den SPD-Entwurf schnell in die Offensive gehen.
Kernforderung muss sein: Die vorgesehenen „Mieterräte“ brauchen mehr Rechte. Ein Gast und eine Stimme in den Verwaltungsräten der Wohnungsbaugesellschaften sind nicht genug. Nur, wenn die Mieterinnen und Mieter eine echte Selbstverwaltung erhalten, können die staatlichen Wohnungsgesellschaften von ihren Nutzerinnen und Nutzern auch kontrolliert werden. Daran hängt auch Umsetzung der sozialen Ziele des Gesetzes: ohne Druck durch starke Räte von Mieterinnen und Mietern gibt es keine Kontrolle, ob die Vorgaben zur Vermeidung von Zwangsräumungen und zur Mietreduktion für Geringverdienende auch umgesetzt werden.
Den Mietenwahnsinn verursacht durch die Politik der SPD, die das Stadtressort seit 1999 leitet, wird der jetzige Gesetzesentwurf der Sozialdemokraten nicht stoppen. Hier darf auch in Zukunft kein falsches Vertrauen entstehen, Mediaspree sitzt da noch tief in den Knochen, es heißt also: weiter kämpfen!
Zur Debattenseite:
Dieser Artikel ist eine Kopie eines Beitrags vom 14.08.2015 der Stadt-AG der Interventionistischen Linken im Original ist er unter http://www.interventionistische-linke.org/ zu finden.
Selten hat eine Initiative in so kurzer Zeit für so viel Wirbel gesorgt wie der Berliner Mietenvolksentscheid. Allen voran die SPD bekommt Angst und will auf die Initiative zugehen, Teile der Partei lassen sogar verlauten, das Gesetz im Wesentlichen übernehmen zu wollen. Neben Lob gibt es jedoch auch Drohungen – der Senat will das Gesetz dem Landesverfassungsgericht zur „Prüfung“ übergeben. Ziel ist mindestens eine Verzögerung, vielleicht ein Scheitern des Gesetzesentwurfs. Nachbesserungen, die rechtlich problematische Teile des Gesetzes ändern könnten, hat die Landeswahlleitung bereits ausgeschlossen. In dieser Situation finden nun zwischen Senat, SPD und Mietenvolksentscheid-Initiative Gespräche statt. Der Ausgang ist ungewiss: Der Volksentscheid hat den Senat zum Handeln gezwungen und Druck aufgebaut für eine Wende in der Wohnungspolitik. Der Senat wiederum hat in den letzten Wochen versucht, mit der Drohung einer Verfassungsklage wieder Oberwasser zu gewinnen und Druck auszuüben, um die Forderungen des Gesetzesentwurfs aufzuweichen. Die offenen Gespräche drohen, zu Verhandlungen über Inhalte zu werden. Nun ist die Bewegung gefragt: die Gespräche dürfen nicht im Sommerloch vergessen werden, sondern brauchen Druck von außen.
Innerhalb sieben Wochen ist es dem Berliner Mietenvolksentscheid gelungen fast 50.000 Unterschriften zu sammeln. Das ist eine deutlich Botschaft und es ist klar, dass es dabei nicht nur um den Gesetzesentwurf der Initiative geht, sondern um die Forderung nach einer grundsätzlich anderen Stadtpolitik, die nicht in erster Linie für Geschäftsinteressen der privaten Wirtschaft gedacht ist.
Nachdem die Regierungsparteien am Anfang vor allem mit der Beschimpfung direkter Demokratie, mit absurden Horrorszenarien, falschen Vorwürfen und Drohungen reagiert haben, scheinen Teile des Senats nun davon überzeugt zu sein, dass es besser sei, die Vorschläge des Volksentscheids zumindest in Teilen umzusetzen, um dann die Ergebnisse für sich zu reklamieren. Anstatt im Wahljahr 2016 gegen eine Volksentscheid-Bewegung anzutreten, will man sich als Partei der Mieterinnen und Mieter profilieren.
Klar ist, dass diese Situation durch die Bewegung erzwungen wurde: am liebsten hätten die Regierenden den Volksentscheid ignoriert oder diskreditiert. Dies ist nun nicht mehr möglich, daher wird vor allem von der SPD versucht, zu verhandeln. Während Vertreterinnen und Vertreter des Berliner Senates mit der Initiative Mietenvolksentscheid sprachen und bei der Haushaltsplanungen erste Maßnahmen trafen, wollte die SPD Fraktion ein Extra-Gespräch. Hier zeigen sich die unterschiedlichen Interessen innerhalb des Regierungsblocks. Die schwarz-Rote Koalition, und auch die SPD intern sind sich nicht einig, ob und welche Zugeständnisse nötig sind.
Innerhalb weniger Monate hat die Initiative also erreicht, was jahrelang ausgeschlossen wurde: der Berliner Senat diskutiert ernsthaft über den Neuaufbau wirklich sozialer öffentlicher Wohnungsbestände.
Auf der anderen Seite können die Regierenden nur deshalb die Option der wesentlichen Übernahme des Gesetzes ins Auge fassen, weil es leider noch nicht die absolute Kehrtwende weg von einer kapitalistischen Wohnungspolitik bedeutet, nicht mal weg von einer neoliberalen Stadtpolitik.
Denn erstens schränken höherrangige Gesetze und Richtlinien bis hoch zur EU-Ebene den Spielraum der Landespolitik ein: keine Enteignungen von ungenutzten Flächen und Wohnraum, keine Mietpreisobergrenze, bestehende Knebelverträge im alten Sozialen Wohnungsbau sind einzuhalten.
Zweitens ist ein Volksentscheid innerhalb der Landespolitik gegenüber normalen Gesetzgebung im Parlament diskriminiert: Während im Abgeordnetenhaus ganze Gesetzespakete verabschiedet werden, muss bei einem Volksentscheid penibel darauf geachtet werden, dass Maßnahmen in ein einziges, inhaltlich-juristisch zusammenhängendes Gesetz passen. Eine „Koppelung“ verschiedener Rechtsbereiche und Themen ist nicht erlaubt.
Drittens hat man aber zu unserem Bedauern auch nicht die Möglichkeiten innerhalb dieser Grenzen voll ausgeschöpft. Etwa in den Verwaltungsräten der neu zu schaffenden öffentlichen Wohnungsbauanstalten: Hier haben im vorgeschlagenen Gesetz die Vertreterinnen und Vertreter des Senats weiterhin eine Stichmehrheit.
Im Bündnis Mietenvolksentscheid gab es intensive Diskussionen, diesen Passus im Nachhinein zu ändern – wir als Interventionistische Linke setzten uns für eine stärkere Beteiligung von Mieterinnen und Mietern wie auch der Belegschaft ein, nach dem Modell des Energie-Volksentscheids von 2013. Damit konnten wir jedoch im Bündnis nicht überzeugen – es wurde befürchtet, dass dies dazu führe, dass sich der Senat aus seiner Verantwortung für die Wohnungsunternehmen zieht. Außerdem wurde davon ausgegangen, dass diese Veränderung nur zu einer längeren rechtlichen Prüfung des Volksentscheides führen, aber am Ende abgelehnt würde. Denn Anpassungen zwischen zwei Stufen eines Volksentscheides dürfen den wesentlichen Charakter des vorgeschlagenen Gesetzes nicht verändern. Daher wurden am Ende vom Bündnis nur kleinere Änderungen vorgeschlagen, etwa zur Vermeidung unnötiger Kosten und zur Verbesserung der Wohnsituation von Geflüchteten. Doch auch diese wurden nicht genehmigt – die Landeswahlleitung verbot aus formalen Gründen auch technisch-juristische Präzisierungen.
Dieser geschickte Schachzug setzte das Bündnis unter Druck: Die Kombination aus Änderungsverbot und Drohung mit Verfassungsgericht zwang das Bündnis Mietenvolksentscheid an den Gesprächstisch.
Wenn man von mit einer Bewegung von unten radikale Veränderungen herbeiführen will, dann müssen auch realpolitische Forderungen gestellt werden – dies hat der Mietenvolksentscheid von Anfang an gewagt und sich um Reformismusvorwürfe nicht gekümmert. Grade deshalb gelang es, die Profitlogik im Wohnungsmarkt auf breiter Front infrage zu stellen.
Wie die Geschichte zeigt, bergen solche Erfolge allerdings auch immer Risiken. Wer sich in das Feld der Herrschenden begibt, muss mit den dort geltenden Regeln umgehen lernen. Hier jedoch kann der Gegner schnell die Initiative an sich ziehen – diese Situation droht dem Mietenvolksentscheid: gestartet als Kampagne auf der Straße, ist er nun durch geschicktes Taktieren des Senats zur Frage des Verwaltungsrechts geworden.
Die Gespräche bergen nun die Gefahr, dass nur Teile des Gesetzes übernommen werden. Dadurch blieben einerseits Forderungen unerfüllt. Vor allem jedoch liegt die Initiative nicht mehr bei der Bewegung, die selbstbewusst einen Forderungskatalog aufstellt und auf der Straße durchdrückt. In den Gesprächen reden nur Wenige, und das abgespeckte Ergebnis kann schnell als Gabe der Herrschenden präsentiert werden. Die Mobilisierung der Mieterinnen und Mieter könnte zum Erliegen kommen, noch bevor der Volksentscheid seine zweite Phase erreicht hat. Die stadtweite Diskussion über ein Ende der Profitlogik im Wohnungsmarkt und eine öffentliche Sicherung des Rechts auf Wohnung darf jedoch jetzt nicht abebben. Sie muß weitere Kreise zu ziehen und mehr Menschen mobilisieren, nur so können Ergebnisse und Verbesserungen durchgesetzt werden.
Wir müssen unseren Delegierten in den Gesprächen den Rücken stärken: Nur, wenn Sie eine Bewegung hinter sich wissen, können sie den Manövern des Senats eine starke Position entgegenstellen. Deshalb muss Öffentlichkeit hergestellt werden und Druck aufgebaut werden. In dieser Situation sind nicht nur die Aktiven im Volksentscheid-Bündnis, sondern alle aktiven Mieterinnen und Mieter, die ihre Unterschrift für das Gesetz gegeben haben, gefordert. Insbesondere die organisierte Linke, die Kiezinitiativen und stadtpolitischen Gruppen sind gefragt: Die Gespräche zum Mietenvolksentscheid müssen in der Bewegung und in den Kiezen diskutiert werden. Stadtpolitisch Aktive sollten die Gelegenheit Nutzen, beim Aktiventreffen des Mietenvolksentscheid mitzureden – die Termine sind öffentlich und unter https://mietenvolksentscheidberlin.de/ einzusehen.
Zur Debatte:
Eine soziale Bewegung, die sich auf die Verhandlung von Gesetzen einlässt, kann nur verlieren!
Es war einmal… So beginnen normalerweise Märchen mit einem guten Ende. Ein bisschen hat auch der Berliner „Mietenvolksentscheid“ mit einem Märchen gemein. Im August des Jahres 2014 versammelten sich mehr als 50 Aktive aus Mieter- und Stadtteilinitiativen und politischen Gruppen mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen und Zielsetzungen, darunter auch vereinzelte Aktivist*innen von Parteien. Gemeinsam hatten sie sich das Ziel gesetzt, mit einer Kampagne um einen Volksentscheid den Wahlkampf im Jahr 2016 zu begleiten und einen Richtungswechsel in der Berliner Wohnungspolitik einzuläuten. In den folgenden vier Monaten wurde über sämtliche Aspekte der Landes-Gesetzgebung und mögliche Änderungen für eine mieter*innenfreundliche Politik debattiert. Herauskam ein umfangreicher Entwurf zur „Neuausrichtung der Sozialen Wohnraumförderung“.
Die Initiative hatte mit ihrer Verallgemeinerung des Entwurfs als „Mietenvolksentscheid“ in der Berliner Bevölkerung einen Nerv getroffen. Beim viel versprechenden Start an einem Wochenende im April wurden über 3.000 Unterschriften gesammelt. Nach acht Wochen anstatt der zulässigen sechs Monate wurden knapp 50.000 Unterschriften übergeben, mehr als doppelt so viele wie benötigt. Jetzt liegt ein Gesetzentwurf vor, der „in Gesprächen“ zwischen dem Berliner Senat und Vertreter*innen der Initiative entwickelt wurde. Einzelne Forderungen des Zusammenschlusses wurden dabei berücksichtigt. Von dem angekündigten Richtungswechsel ist aber nur wenig zu spüren. Die Wohnungsbaugesellschaften können weiter wurschteln wie bisher und Mieter*innen zwangsräumen oder Wohnungsbewerber*innen ablehnen. Die Forderungen nach billigen Mieten für Sozialwohnungen wurden von einer überaus klug handelnden SPD-Führung, die sich dieses Mal nicht auf das Ignorieren der Probleme beschränkte, in eine bereits vor Jahren festgelegte Strategie im Umgang mit der „Wohnungsfrage“ eingepasst.
Von der eingereichten Vorlage und den Vorstellungen aus der Anfangszeit ist nach den Verhandlungen nur noch ein Torso übrig geblieben. Das Plenum der Initiative muss dem Entwurf zwar noch zustimmen. Dies dürfte allerdings nur eine Formsache sein. Die erwarteten negativen Ergebnisse bei der Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Volksbegehrens dürfte das Übrige dazu beitragen. Unter dem Druck von langwierigen gerichtlichen Verfahren werden dann wohl auch die vereinsinternen Kritiker*innen schweren Herzens dem „Kompromiss“ ihr Einverständnis geben.
Der Einsatz von Volksentscheiden als Mittel der Meinungsbildung und Politikgestaltung ist in der mieten- und stadtpolitischen Szene zu Recht umstritten. Volksentscheide sind per se dem bestehenden System verhaftet und können als solche die Bedingungen der kapitalistischen Verwertung von Wohnungen als Ware nicht verändern. Insofern ist die von der orthodoxen Linken der DKP oder von Karl-Heinz Schubert in trend-online geäußerte Kritik an dem Gesetzentwurf des Vereins, die gerade dieses in letzter Konsequenz von einem solchen Entscheid fordern, wahlweise dämlich oder grober Unfug.
Quelle: Hände weg vom Wedding
Bebauung des Mauerparks, Mieterhöhungen, Verdrängung: Widerstand!
Wir organisieren uns gemeinsam, denn wir wohnen alle hier, und hier werden wir auch bleiben!
Die Stadt wird weiter ausverkauft. Für kapitalistische Interessen werden Grünflächen mit teuren Bauprojekten zerstört, Mieten erhöht, Mietwohnungen in Ferien- oder gleich Eigentumswohnungen umgewandelt. Wer den Renditeinteressen entgegensteht, wird kriminalisiert und auf Demonstrationen von der Berliner Polizei zusammengeschlagen. Wer sich, wie viele Menschen, die teuren Mieten nicht mehr leisten kann, wird mit der vereinten Gewalt von Eigentümer*in, Hausverwaltung, Gerichtsvollzieher*in und Polizei zwangsgeräumt und praktisch in die Wohnungslosigkeit geschickt. Am Beispiel der im Jahr 2013 zwangsgeräumten Rosemarie F. aus Reinickendorf, konnte die gesamte Stadt sehen, wie tödlich diese Praxis für die Betroffenen ist.
Alles für ein prächtiges kapitalistisches Projekt “Stadt”, in dem nur noch Profite und die totale Verwertung stehen.
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Ein Artikel von: https://karlapappel.wordpress.com/
Genossenschaft auf Abwegen – Baugutachten als Fiktion – Genossen bleiben wohnen
„Suchen sie sich was Neues. Sie werden die neuen Mieten sowieso nicht zahlen können.“
Diese Haltung seitens der Verantwortlichen für die WBV- Neukölln gegenüber ihren Genossenschaftsmitgliedern bringt eigentlich alles auf den Punkt.
Die Heidelberger Str. 15 – 18 soll nach dem Willen des Vorstandes abgerissen werden und die jetzige Kaltmiete von 4,50 bis 5,50 den Quadratmeter würde vernichtet. Für 8,50 den Quadratmeter entstünde ein Neubau, in der die jetzigen Bewohner und Bewohnerinnen nichts mehr zu suchen haben.
Darum ist es ganz gut einen Blick auf das Treiben des WBV-Vorstandes zu werfen. Denn dieser ist durch den Widerstand der Mieter und Mieterinnen in die Defensive geraten, auch weil die Öffentlichkeit sich zunehmend für diese fragwürdige Genossenschaftspolitik von Oben zu interessieren beginnt.
Mit einem Baugutachten versucht sich der Vorstand aus der Affäre zu ziehen, indem der lächerliche Beweis angetreten wird, warum das Haus abgerissen werden müsse. Dahinter steckt der durchsichtige Wunsch, die kritische Öffentlichkeit zu täuschen und den zuständigen Bauverwaltungen und der Politik den Weg zu ebnen, um der unausweichlichen Verdrängung keine Steine in den Weg zu legen.
Zuerst widmen wir uns der Frage, wie diese Genossenschaft funktioniert?
Als zweiten Schritt werden wir das oben genannte unmögliche Baugutachten an einigen Punkten auseinander pflücken.
Die dritte Frage, der wir nachgehen: Was verbirgt sich hinter der Absicht eines Vorstandes, der sowohl seinen Genossenschaftsatzungen Lügen straft, der den Vertreterrat manipuliert und täuscht, und ohne Not einen bezahlbaren Wohnraum vernichten will. Diese Frage ist die weit aus interessantere und wirft ein hartes Schlaglicht darauf, wie korrumpiert die Immobilenlandschaft in ihrer Tiefe in Berlin ist, wenn selbst Genossenschaft schon das dreckige Spiel der SPD (Beispiel Stadt & Land) und der Immobilienwirtschaft (Baustadtrat Hölmer und Bewilligungspraxis für Eigentumswohnungen) mitspielen.
Seit vielen Jahren kämpfen Mieter*innen und Mietervereine gegen die fortlaufenden Verschlechterungen auf dem Wohnungsmarkt. Die Idee einer Versorgung breiter Bevölkerungskreise mit bezahlbaren und lebenswerten Wohnungen hat sich zugunsten einer marktorientierten Versorgung gewandelt. Diese Entwicklung läuft nicht ohne Widerstand von Mieter*innen und Mietervereinen in zahlreichen Städten. Was aber fehlt ist eine systematische Diskussion grundsätzlicher Alternativen in der Mieten- und Wohnungspolitik, die über die derzeitigen tagespolitischen Diskussionen hinausgehen.
Daher haben sich verschiedene an Wohnungsthemen arbeitende Akteure zur kontinuierlichen Debatte zum Netzwerk Wohnen & Mieten zusammengeschlossen. Dieses neue Netzwerk lädt am 25./26. September alle Interessierten zu einer Arbeitskonferenz nach Hamburg ein. Nach dem Konferenz soll das Netzwerk Mieten & Wohnen als arbeitsfähige Struktur etabliert werden. Die Planung konkreter Projekte (Kampagnen, Öffentlichkeitsarbeit, ggf. Verabredung zum Erstellen eines eigenen Gesetzesvorschlages für ein neues Mietrecht) könnten ebenso verabredet werden.
Informationen: http://www.netzwerk-mieten-wohnen.de/